Vom Leben und Sterben Teil III
- Admin
- 18. Feb. 2016
- 5 Min. Lesezeit

Vom Leben und Sterben- Teil III
20.01.2016, 9:27 Uhr
Meine Augenringe könnte ich heute bis unter die Fußsohlen ziehen.
Es krabbelt immer noch und alle Versuche, dies intuitiv selbst in den Griff zu bekommen, sind fehlgeschlagen. Allerlei Salben(gefunden wo auch immer),Tinkturen, Kamilleteebeutel – kalt und warm, Tropfen, Creme´s usw. haben nix gebracht, außer dass es jetzt noch mehr juckt, ich ausschau wie ein Zombie und ich nicht nur am Durchdrehen bin, sondern nun zum 2. Mal innerhalb von 2 Wochen zum Arzt rennen werde.
Ja, die Klara scheint und wenn man zum Fenster hinausschaut könnte man meinen, es ist Frühling.
Die Strahlen schneiden die eisige Luft. Klar und kräftig signalisieren sie die Kraft der Sonne und des Neuen, welches sich auf den Weg macht, die Zukunft zu gestalten.
Zukunft gestalten….wieder so ein Stichwort.
Große Pläne hatten wir damals.
Firmengründung und die brummte, dass es ein Wahnsinn war.
Es wurde immer mehr Knete, größere Karren, noch größere Urlaube und es gab nichts, was für uns unmöglich wäre.
So saß ich da, der Priester erzählte von unseren Skifahrerlebnissen, von unseren Waldpilzsuchabenteuern, ich biss mir auf die Lippen, um nicht zu heulen und es schmerzte.
Es waren nicht nur die blutigen Lippen, sondern auch die Zähne, die Haut, in die ich mir kniff, mein gesamter Körper, alles wirklich einfach alles und in mir brannte es…..Wut, Zorn, teilweise Hass, Verzweiflung, Trauer, Enttäuschung und die Erkenntnis, dass alles so verdammt Scheiße schnell vorbei sein kann.
Mir kamen die viel zitierten Worte: „ Carpe Diem“ in den Sinn.
Verklärt werden sie, von allerlei Leutschen, die damit ihre Rumvögelei rechtfertigen wollen. Bewusst verdreht und zurecht gebogen wurden sie, von Menschen, welche die Weisheit scheinbar nicht nur mit Löffeln gefuttert hatten, sondern ganz Fässer dazu benutzten.
Ich sah da, erkannte, dass ich scheinbar den Moment nicht genutzt, die Stunden mit ihm verpennt hatte und heulte, flennte, weinte und hätte die am Liebsten die ganze Kapelle zusammen geschrien.
Jeden Einzelnen…..anschreien und verkloppen, aber zu allererst, den depperten Priester, mit seinen so wohlklingenden, himmlischen Worten und den Zitaten von Jesus und Gott.
Verdammter Dreckmist… Er hat mir Toni genommen, auch wenn er es selbst war, der sich diesen Drecksstrick um den Hals gelegt hat, aber ER hat es zu gelassen.
Danach Ruhe……die Leise und ihre Weise waren beklemmend und nicht befreiend.
Sie stacht so tief in mich ein, dass ich das DANACH nicht mehr spüren konnte. Nicht ein einziges Detail vermochte sich in mir festzusetzen. Wirre sind die Erinnerungen daran und gleichwohl nicht wahr. Ich bildete mir ein, mich unter Emotionskullerflüssen mit meiner Cousine umarmt zu haben…. Später stellte ich fest, sie war nicht mal da… oder doch?!
Es war nicht nur diese Beerdigung. Meine Omi starb, als sie die Nachricht seines Freitodes bekam, meiner Mutsch ihr Mann erlag nach 2 Monaten (ab Diagnose) dem beschissen Magenkrebs, meine
Pinky starb (meine Muschi, also keine falschen Schlüsse ziehen, es war mein Kätzschen) und mein Bobby (Bobtail) schien es auf diesen Planeten, unter diesen Umständen auch nicht mehr auszuhalten, ohne seine Weggefährtin.
Was konnte noch passieren?
Eine Steigerung schien unmöglich.
Verstanden hatte ich damals die ganze Welt nicht mehr, gehasst alle und am aller meisten TONI.
Er ließ uns alle alleine, nur noch die verschwommenen Erinnerungen kämpften jeden Tag um ihren Platz in unseren Herzen.
Seine Freundin, wirklich, die Liebe seines Lebens; ein kleines Töchterlein- 3 Monate alt; auf all den vielen Fotos, sie sahen soooooo glücklich aus und dann? Er beschliesst zu gehen!
Mit diesem Moment brach unsere Familie auseinander. Vorwürfe, Verzweiflung zerstörten jeden kleinen Funken von Zusammengehörigkeitsgefühl.
Viele Jahre brauchte ich, um meinen Standpunkt, mein Gefühl zu ihm zu finden. Es sollte Tage geben, wenn ich da HOCH oder da RUNTER gekommen wäre und ich hätte ihn getroffen, ich hätte wahrscheinlich die Knarre genommen (ihr wisst schon, mit der ich vorher den Priester niedergestreckt hatte) und hätte ihn umgebracht, für all das Leid.
Zeiten ändern sich. Aus Vergangenen wird Gegenwart, aus Gegenwart die Zukunft und das gesamte Mischmasch aus allem lässt uns das Jetzt und Hier zum Sein werden.
Viele Bücher las ich, hörte mir massenhaft kluges und sehr weises Gequatsche an bis ich dann in Wuppertal meine Frisörin kennen lernen durfte.
Ein kleines, zartes Wesen mit Haaren……ein Wuschelkopp…. Irre.
Wir redeten beim Schneiden meiner Zottel. Sie erzählte mir, dass sich ihr Bruder das Leben genommen hätte, durch Ertränken! Gott dachte ich mir, ERTRÄNKEN…. Wie krank is das denn?
Gänsehaut bekam ich, als wir herausfanden, dass dies im selben Jahr geschah.
Sie war viel weiter, im Umgang mit der Situation und mit sich selbst. Dann empfahl sie mir ein Buch. ( Sie war eine Hexe und das meine ich nicht nur so, denn was sie mit mir und bei mir so machte, war schon sehr….. ähm, naja….weiß gar nicht wie ich dies beschreiben soll)
In diesem Buch ging es um eine Psychiaterin, welche in der Schweiz lebte und sie war auf Kindersuizide spezialisiert.
Mitten in ihrem Leben wurde ein 10 jähriges Mädel zu ihr gebracht, welches sich einmal im Jahr versuchte das Leben zu nehmen. Nichts konnte es rechtfertigen, noch war es herauszufinden, warum.
Eltern, Geschwister, Familie…. Alles super liab und wunderschön. Haus, Hof, Garten und Tiere….alles perfekt. Nach einigen Jahren, die Psychiaterin ist über die Zeit in die Familie mit reingewachsen und war ein Mitglied geworden, galt das Mädl als geheilt.
Die Welt war in Ordnung.
Zu ihrem 18. Geburtstag fuhr sie in die Praxis und schnitt sich die Halsschlagadern auf. Noch heute verschwimmen die Buchstaben, meine Atemluft scheint sich zu sträuben, Richtung Lungenflügel aufzubrechen und es schießt all das Erlebte wie ein Blitz in mein Gehirn und Herz hinein.
Die Ärztin schmiss alles hin und versuchte einen Weg zu finden, zu begreifen, zu verstehen und zu analysieren.
Viele Wege ging sie und kam nicht weiter, denn das WARUM stand wie ein Betonsockel eines Weltkriegsbunkers mitten auf der Wiese des Lebens.
Dann stellte sie Theorien auf.
Eine davon:
Es gibt Menschen, die haben ein sooooo tiefes Glücksempfinden, dass sie glauben, wenn sie genau den richtigen Moment erleben, es könnte nie mehr eine Steigerung davon geben. Um genau diesen einen Moment mitzunehmen, ihn für immer festzuhalten, gehen sie…. mit diesem- ihrem eigenen soooo schönen Glück.
Klingt ziemlich abstrus , irre und wirre…. Aber je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr kam ich für mich ganz selbst zu der Erkenntnis, dass es eben nicht um Wahrheit und dem tatsächlichem WARUM ging, sondern einfach nur darum, wie kann ich mit ihm und der Situation weiterleben?!
Es war ein schöner Gedanken, verbunden mit einem warmen und offenen Gefühl, zu wissen, dass er vielleicht glücklich gegangen ist, mit all den (für ihn) wunderbaren Erinnerungen, die für immer bei ihm blieben.
Es wurde mir scheißegal…. Das Warum, denn ich hatte meinen Frieden mit ihm gefunden.
Noch immer tut es verdammt und saudolle weh, manchmal, aber ich konnte ab diesem Moment zu ihm gehen, mit ihm reden, mit ihm lachen und weinen und ich spürte, er war da. Verbundenheit bedeutet nicht, sich immer zu sehen, sich auf die Pelle zu rücken…. Verbundenheit ist das Denken an den Anderen und ihn ohne Vorurteile und Zwang lieben zu können.
Fortsetzung folgt… später
Comments